Am Ende kommt es darauf an,                                               wer die Maschinengewehre hat.

nach texten aus "MITLEID" von Milo Rau

Regie: Pauline Beaulieu

"Was am Mittwoch in der Jacobikirche Stralsund gezeigt wurde, war große Schauspielkunst. Monodramen (4) hatte Premiere mit zwei Stücken, die als grandiose politische Kunst die Ungerechtigkeiten dieser Welt thematisierten.(...) Nicht weniger provozierend war das zweite Stück der gut zwei Stunden Spielzeit: "Am Ende kommt es darauf an, wer die Maschinengewehre hat" nach Texten aus "Mitleid" von Milo Rau, inszeniert von Pauline Beaulieu. Ein bildgewaltiges, Körper betontes Stück, indem Frederike Duggen von der globalisierten Welt als Ort der Ungerechtigkeiten erzählt. Ihr Bericht über das Elend der Syrer auf ihrer Flucht nach Europa und den Genozid in Ruanda enthält sowohl mediale als auch autobiographische Versatzstücke. Mit schwarz beschmiertem Gesicht schleppt Duggen Holzpaletten umher und rennt auf der Bühne umher. Eine Getriebene, die von der Tatsache, dass die Menschheit um Kriege und Völkermorde weiß und trotzdem nichts ändert, fast zerrissen wird. Zwei großartige Monodramen, die es sich lohnt, anzusehen!"

von Annemarie Bierstedt - Ostsee-Zeitung, 27.04.2017

Milo Rau im Interview

Ich bin in den letzten zehn Jahren Zeuge von Massakern geworden, von Massenvertreibungen, unfassbaren Verbrechen. Das alles hat mich und mein Team traumatisiert. Interessanterweise führt Traumatisierung aber zu nichts: Man wird einfach abgestumpfter, pessimistischer. Meine Theaterprojekte sind für mich die Rettung aus alledem, meine Form der Transformation von Fatalismus in etwas Anderes – in etwas wie Solidarität, sogar Schönheit. […] Wenn man, metaphorisch gesprochen, als Aristokrat in eine königliche Familie geboren wird, ist das als Auftrag zu verstehen. Gefährlich ist es, den Zufall der Geburt als Selbstverständlichkeit oder gar Verdienst zu missdeuten. Es gibt sehr viele Menschen, auch in der Helferindustrie, die denken, Europa und sie selbst hätten gewisse Dinge richtig gemacht und deshalb hätten sie ein Recht auf Wohlstand. Natürlich haben sie das nicht. Wir haben uns hier nur einen Raum geschaffen, eine kapitalistische Käseglocke, in der die grausamen globalen Gesetzmäßigkeiten nicht gelten.

 

 

"Die Sklaverei ist keine undefinierbare Fleischmasse. Sie ist eine ganz bestimmte versklavte Frau, deren Verstand so wach ist wie deiner, deren Gefühlsspektrum so breit ist wie dein eigenes; der es gefällt, wie das Licht an einer bestimmten Stelle in den Wald fällt, die gern im Fluss angeln geht, dort, wo das Wasser einen Strudel bildet, die auf ihre verquere Weise ihre Mutter liebt und findet, dass ihre Schwester zu laut redet, die eine Lieblingscousine hat und eine liebste Jahreszeit, die wunderbar Kleider nähen kann und die in sich die Gewissheit trägt, dass sie so klug und begabt ist wie andere Menschen. »Sklaverei« ist diese Frau, hineingeboren in eine Welt, die laut ihre Liebe zur Freiheit kundtut und diese Liebe wichtigen Texten einschreibt, eine Welt, in der die Verfasser dieser Texte die Frau als Sklavin halten, ihre Mutter als Sklavin halten, ihren Vater und ihre Tochter als Sklavin halten, und wenn diese Frau auf die Generationen zurückblickt, sieht sie nur Sklaven. Für diese Frau ist die Sklaverei keine Parabel. Sie ist die Verdammnis. Sie ist die nicht enden wollende Nacht. Und die Nacht ist so lang wie der größte Teil unserer Geschichte. Vergiss nie, dass wir in diesem Land länger versklavt gewesen sind als frei."  Zwischen mir und der Welt von Ta-Nehisi Coates (2016)

   

 

Es spielt: Frederike Duggen

Dramaturgie: Oliver Lisewski

Inspizienz und Abendspielleitung Jürgen Meier / Kerstin Wollschläger

 

Premieren: Stralsund: 25.4.2018 (Gustav-Adolf-Saal) /: Greifswald 4.5.2018 (Rubenowsaal) 

weitere Vorstellungen: am 09.05. und 06.06. um 20:00 in Greifswald

und innerhalb des Monodramenfestivals am 09.06. in Greifswald