Tom auf dem Lande

von Michel Marc Bouchard

Festival Primeurs 2012 - Saarländisches Staatstheater

Werkstattinszenierung

Fotos © Björn Hickmann

Beschreibung

 

Tom trifft anlässlich der Beerdigung seines Geliebten auf dessen Mutter Agathe und dessen Bruder Francis. Sie bewirtschaften in der tiefsten kanadischen Provinz einen Milchbauernhof. Francis bedroht Tom, den eloquenten Schick-Micki-Werbetexter aus der Stadt, mit brutaler Gewalt und zwingt ihn dazu, gegenüber der Mutter eine Lebenslüge zu behaupten, in der die Homosexualität des Verstorbenen völlig ausgespart bleibt. Tom hat bereits zu viel Ausgrenzungen und Demütigungen erlebt, so dass er das Lügenspiel mitspielt. Die Beziehung der beiden Männer ist zunehmend durchdrungen von Erotik, weil Francis seine emotionale Not und seine sexuelle Frustration an Tom auslässt. Weil dieser sich den Übergriffen nicht widersetzt scheinen sich die Grenzen zwischen Zwang und Freiwilligkeit schließlich aufzulösen. Doch das menschenverachtende Spiel der Demütigungen spitzt sich lebensgefährlich zu, spätestens in dem Augenblick, in dem Agathe beginnt, die Tagebücher ihres verstorbenen Sohnes zu lesen. 

Mit der Verdichtung auf ein kammerspielartiges Szenario gelingt es Michel Marc Brouchard, die Misere Homosexueller drastisch zu verdeutlichen. »Die Verachtung gegenüber Homosexuellen ist kein obsolet gewordenes Thema, wie es manche gern hätten«, schreibt er im Vorwort zum Stück. Und es sind die »Diktate der Normalität«, die zur immer wiederkehrenden Stigmatisierung von sogenannten gesellschaftlichen Außenseitern beitragen. »Tom à la ferme« wurde mit dem prix de la dramaturgie francophone 2011 ausgezeichnet und bereits in mehr als 10 Sprachen übersetzt.

Michel Marc Bouchard, Jahrgang 1958, arbeitet als Autor, Dramaturg und Schauspieler. Er hat bereits mehr als 20 Theaterstücke veröffentlicht, die bei zahlreichen Festivals aufgeführt wurden. Er war künstlerischer Leiter des Trilium Théatre in Ottawa und arbeitet als Dozent an der Universität Ottawa. »Tom à la ferme« wurde mit dem prix de la dramaturgie francophone 2011 ausgezeichnet und bereits in mehr als 10 Sprachen übersetzt.

 

Freitag, 18. November 2011, 20.45 Uhr in der Alten Feuerwache 

 

Inszenierung: Pauline Beaulieu

Ausstattung: Julica Schwenkhagen

Eine Produktion des Saarländischen Staatstheates

Besetzung

Tom: Benjamin Bieber

Agathe: Saskia Petzold

Francis: Pit-Jan Lößer

Sara: Christiane Motter

Presse

"Düsteres Geflecht aus Intoleranz und Masochismus

Explizit um Homosexualität ging es in der Werkstattinszenierung des Stücks "Tom auf dem Lande" von Michel Marc Bouchard aus Ottawa. Oder eben doch nicht explizit, sondern mit raffinierter Verschiebung. Und zwar zwischen den Rollen von drei Personen, die bei der Beerdigung eines Mannes in der kanadischen Provinz zusammen kommen: Tom, der Geliebte, Francis, der aggressiv homosexuellenfeindliche Bruder des Toten, und Sara, die der Mutter zuliebe die Freundin des Verstorbenen mimen soll. Es entsteht ein düsteres Geflecht von Intoleranz, Verständnislosigkeit, Sadomasochismus – wobei die Protagonisten immer wieder in den Text der anderen verfallen und so eine vielsagende Mehrdeutigkeit der Rollenzuschreibungen entsteht. Ein Stück über Homophobie, das viel zu intelligent angelegt ist, um bloße Betroffenheitsdramatik zu sein. Es ist bereits in zehn Sprachen übersetzt, das Saarländische Staatstheater hat nun eine deutsche Fassung herstellen lassen." Nachkritik von Rainer Petto                                                                                                                              

"Mit sicherem Gespür und guten SST-Schauspielern dagegen bringt Pauline Beaulieu die dramatische Wucht von Michel Marc Bouchards "Tom auf dem Lande" zur Geltung. Der Großstädter Tom, der zur Beerdigung seines verunglückten Gefährten dessen Familie auf einem Bauernhof besucht, wird vom älteren Bruder des Toten mit Gewalt gezwungen, die Homosexualität vor der tief religiösen Mutter geheimzuhalten. Tom lässt sich auf das Lügengeflecht ein, für die Mutter wird er zum "wiederauferstandenen" Sohn, für den wegen seiner Gewalttätigkeit isolierten Bruder zum Gefährten für sadomasochistische Spielchen. Als sich die Mutter dem Schwulsein ihres Sohnes stellt, ist es zu spät. Tom wird zum Mörder. Das Stück, erfährt man, ist bereits in über zehn Sprachen übersetzt." Saarbrücker Zeitung - Cathrin Elss-Seringhaus